Schneller, höher, weiter …

NEW BUSINESS Innovations - NR.07, SEPTEMBER 2021
»Jede Zehntelsekunde, die die Spritzgießmaschine früher produzieren kann, bedeutet mehr Produktions­volumen und Effizienz. Wir setzen daher mit unseren ­Automatisierungslösungen auf maximale Dynamik und Beschleunigung.« © Wittmann Group

… ist das Motto in der Kunststoffproduktion. Einer, der weiß, welche Anforderungen die Branche an die Geschwindigkeit, Sicherheit und künstliche Intelligenz von Spritzgießmaschinen stellt ...

... ist Martin Stammhammer, International Sales Manager Robot bei WITTMANN Technology.

Herr Stammhammer, Cobots sind in aller Munde. Wie sehen die Roboterlösungen von WITTMANN aus?
Unsere Systeme kommen vor allem in der Kunststoffindustrie zum Einsatz. In diesem Anwendungsfeld wird besonderer Wert darauf gelegt, schnelle und dynamische Bewegungsabläufe zu realisieren. Jede Zehntelsekunde, die die Spritzgießmaschine früher produzieren kann, bedeutet mehr Produktionsvolumen und Effizienz. Wir setzen daher mit unseren Automatisierungslösungen auf maximale Dynamik und Beschleunigung. Hierzu gehören Beschleunigungswerte, die auch im Bereich der sechsfachen Erdbeschleunigung liegen können. Bei solch hochdynamischen Anwendungen ist ein Betrieb der Anlage ohne mechanische Schutzeinhausung nicht möglich. Deshalb sind die angesprochenen Cobots im direkten Produktionsumfeld der Spritzgießmaschine kein Thema. Die Schnittstelle zwischen Fertigteil und Maschinenbediener befindet sich bei diesen Produktionszellen außerhalb der Schutzeinhausung. Zum Beispiel am Ende eines Förderbands, wo die Fertigteile vom Bediener übernommen werden. Hier könnte natürlich auch ein Cobot eingesetzt werden, um beispielsweise Verpackungsaufgaben zu übernehmen.

Glauben Sie, dass noch weiteres Einsparpotenzial oder weitere Beschleunigung vom jetzigen Stand aus möglich ist?
Potenzial gibt es sicher in einigen Bereichen. Einerseits im Bereich der Eingriffszeit im Spritzgießmaschinenarbeitsraum als auch beim Zu- und Wegfördern von Fertig- und Einlegeteilen. Wir analysieren mit dem Anwender die Applikation und definieren gemeinsam, wo noch Potenzial schlummert. Der Anwender kennt die Applikation am besten, und nur gemeinsam kann die höchste Effizienz erreicht werden. Typische Ansätze sind hier die Minimierung der Betriebsmittelkosten (z. B. Druckluft), die Reduktion der Bedienerzeit an der Maschine (autarke Produktion) oder die Verkettung von Produktionsschritten.
Das klingt ein wenig nach Industrie 4.0, einem Schlagwort, das seit Jahren in aller Munde ist. Wohin geht es Ihrer Meinung nach?
Prinzipiell kann ein Roboter nur das, was man ihm beigebracht hat. Das machen wir auch so und arbeiten nach dem Teach-in-Verfahren. Aber natürlich hinterfragen wir, was die aktuellen Anforderungen unserer Kunden sind. Die Rückmeldung vom Markt ist extrem wichtig, um die Entwicklung in die richtige Richtung voranzutreiben. Aktuell ist zum Beispiel die zentrale Datenverwaltung ein großes Thema. Ich denke hier an einen zentralen Speicherort für die Programme. Das heißt: Die Roboter werden über eine OPC-UA-Schnittstelle mit einem Leitrechner im Unternehmen verbunden. Von dort besteht die Möglichkeit, Programme zu editieren, vorzubereiten und an das System zurückzuspielen. Der Vorteil: Der Bediener kann sich in einem ruhigen Arbeitsumfeld auf die Programmerstellung konzentrieren und in ungestörtem Arbeitsumfeld die Programme erstellen und bearbeiten. Dadurch sinkt die Aufenthaltsdauer in der Produktionshalle. Die Verweilzeit an der Maschine wird minimiert, und die Umrüstzeiten werden verkürzt. Unser Ziel ist es, die Aufgaben, die der Maschinenbediener zu bewältigen hat, möglichst einfach zu gestalten.

Da sind wir beim Thema künstliche Intelligenz. Was kann ein Roboter schon bzw. welche Möglichkeiten gibt es noch?
Ein Punkt, der in den nächsten Jahren besonders wichtig sein wird, ist der, wie man die Schnittstelle Maschinenbediener/Produktionszelle durch Hilfestellung und Entlastung sicherstellen und vereinfachen kann. Hier prüft etwa eine künstliche Intelligenz, ob die Maschine tatsächlich mit allen nötigen und richtigen Werkzeugen etc. ausgerüstet ist, um ein spezifisches Produkt herzustellen. Das heißt, es kann hier der Maschinenbediener schon von einiger Verantwortung entlastet werden und er erhält die entsprechende Sicherheit, Fehlzeiten und falsche Produktionen – im schlimmsten Fall vielleicht Kollision oder Crash – zu vermeiden; einfach, weil alles vorab geprüft wird. 

Haben Sie Zugriff auf die Daten der Maschinen Ihrer Kunden, etwa für Serviceeinsätze?
In den meisten Fällen senden wir einen Servicetechniker zum Kunden. Gerade im letzten Jahr hat sich jedoch auch die Remote-Verbindung mit dem Kunden als hilfreich erwiesen. WITTMANN hat hier den Ansatz gewählt, sich von außen nur auf einen PC des Kunden zu verbinden. Wir sind der Meinung, dass bei Online-Unterstützung durch unseren Techniker keine Daten der Produktionszelle außerhalb des Kundennetzwerks vorhanden sein sollten. Aus diesem Grund verwenden wir eine Live-Visualisierung der Robotersteuerung am PC des Kunden. Die Onlineverbindung der WITTMANN-Niederlassung wird mit dem Kunden-PC aufgebaut. Durch diesen kann anschließend mittels Nutzung der Steuerungsvisualisierung der Status eines Geräts analysiert werden. Der WITTMANN-Techniker ist darüber hinaus in der Lage, dem Bediener live Ratschläge und Tipps zur Fehlerbehebung zu geben.

Das klingt jetzt sehr überlegt. Sind sich alle Ihre ­Kunden der Gefahren durch ein offenes Netzwerk bewusst?
Unsere Kunden im Kunststoffbereich sind sich der Problematik sehr wohl bewusst. Sie stehen immer wieder vor der Herausforderung, sowohl Datensätze und Produktionsdaten protokollieren zu müssen als auch gleichzeitig die Produktionszellen vor unerwünschtem Zugriff zu sichern. 
WITTMANN bietet deshalb für seine Spritzgießzellen ausschließlich den dafür eigens entwickelten Router mit integrierter Firewall an. Durch diesen wird die Produktionszelle effizient vor ungewollten Zugriffen durch nichtautorisierte Quellen geschützt. (BS)
www.wittmann-group.com