Vereinte Kräfte gegen die Gefahr aus der Luft.

NEW BUSINESS - NR. 2, MÄRZ 2021
Moderne Reinraumtechnik könnte in ähnlicher Form auch im Kampf gegen die Pandemie hilfreich sein. © Adobe Stock/Dedraw Studio

Filter- und Raumlufttechnologien gelten als nachhaltige Waffen gegen Viren. Experten sind sich jedoch einig: Im Kampf gegen Covid-19 wird ihnen noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Veranstaltungs-, Kultur- und Sportbranche, aber auch die deutsche Politik hat den Tag herbeigesehnt, an dem die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt RESTART-19 der Universitätsmedizin Halle an der Saale bekanntgegeben werden. Ein Teil dieses Projektes war ein Konzert am 22. August 2020 mit dem Chartstürmer Tim Bendzko in der Quarterback Immobilien Arena in Leipzig. Bei diesem wurden mithilfe von Contact-Tracern, kleinen technischen Geräten, die den Teilnehmenden ausgehändigt wurden, unzählige wissenschaftliche Daten gesammelt. Zusätzlich wurden Luftströmungssimulationen durchgeführt. Fast genau zwei Monate später, am 29. Oktober 2020, konnten die Ergebnisse sowie die daraus abgeleiteten wissenschaftlich fundierten Empfehlungen präsentiert werden. „Die Ergebnisse decken sich mit unseren Thesen insoweit, als dass wir vermutet haben, dass die Kontakte, die bei einer Veranstaltung erfolgen, nicht alle Teilnehmenden umfassen. Deshalb könnten Veranstaltungen unter bestimmten Bedingungen auch in der Pandemie-Situation stattfinden“, erklärt Studienleiter Stefan Moritz. „Die wichtigste Erkenntnis war für uns, wie groß die Auswirkungen einer guten Belüftungstechnik sind. Diese ist für das Ansteckungsrisiko eine entscheidende Schlüsselkomponente.“

Neu formiertes Expertenforum der Reinraumtechnologien gegen Covid-19
Die Erkenntnisse, die mithilfe eines medienwirksamen Projekts wie RESTART-19 in Deutschland bereits mehrfach kommuniziert wurden, sind hierzulande noch wenig bekannt. Daher haben sich auf Initiative des Silicon Alps Technologie Clusters und in weiterer Zusammenarbeit mit Human.technology Styria Unternehmer, Forscher und Wissenschaftler mit langjähriger Erfahrung aus der Praxis der Reinraumtechnologien und Lüftungstechnik zu einem Expertenforum zusammengeschlossen. Ihr Anliegen: die Entscheidungsträger der öffentlichen Hand und in Unternehmen in erster Linie über die Möglichkeiten zu informieren und die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Dazu wurde am 15. Februar zu einem Pressegespräch geladen. Aus der Meinung der Experten geht hervor, dass es rascher Handlung und einer koordinierten Planung bedarf, um längerfristig möglichst schnell etwas zu bewirken.
„Die Diskussionen drehten sich zunächst um Masken und nun geht es nur mehr um die Impfungen. Uns fehlt die Auseinandersetzung mit den zusätzlichen Möglichkeiten, die wir mit unseren Technologien haben und auch im Kampf gegen Covid-19 sinnvoll einsetzen können und dies bereits tun“, so Josef Ortner, Geschäftsführer des international renommierten Familienunternehmens Ortner Cleanroom Unlimited. „Dabei sind wir in Österreich diesbezüglich Vorreiter und sehr gut aufgestellt, was die Technik betrifft, es braucht jedoch bestimmt noch ausgefeiltere technische Lösungen, um die Umwelt und die Ressourcen zu schonen“.

Mit Technologie-Know-how zu faktenbasierten Entscheidungen
Tatsächlich finden sich auch in der Coronavirus-Taskforce des Sozialministeriums keine Vertreter aus Technologiekreisen. Auch Roman Czech, Geschäftsführer von drei Reinraum-Unternehmen mit langer Tradition, bemängelt: „Mir wäre nicht bekannt, dass sich jemals jemand aus höherer Instanz bei uns gemeldet hätte. Da hinken wir Deutschland hinterher, wo zum Personenschutz bereits entsprechende Maßnahmen an exponierten Arbeitsplätzen wie beispielsweise Supermarktkassen gefördert und eingesetzt werden.“ Dabei stößt das Thema auch in der öffentlichen Hand durchaus auf Anklang, wie die Technologiereferentin des Landes Kärnten und LHStv.in Gaby Schaunig bekräftigt. Für Schaunig – in Bezug auf das Expertenforum des Silicon Alps Clusters – sind Kooperationen bei der Suche nach Problemlösungen der Schlüssel: „In unserer komplexen Welt sind Herausforderungen nur durch Zusammenarbeit zu lösen, das gilt ganz speziell auch für die Bewältigung dieser Pandemie.“ Genau um solche Kooperationen im Bereich von Zukunftstechnologien zu ermöglichen und zu erleichtern, haben die Bundesländer Kärnten und Steiermark den Silicon Alps Cluster gegründet. Im Zusammenhang mit Covid-19 sei es zudem besonders wichtig, dass sich Experten mit ihrem Fachwissen öffentlich zu Wort melden. „Gerade jetzt braucht es faktenbasierte Entscheidungen, um der breiten Verunsicherung entgegenzuwirken“, betont Schaunig.

Sprachrohr und neutrale Anlaufstelle
Das Expertenforum aus Forschung und Industrie sieht sich als Sprachrohr und zentrale und neutrale Anlaufstelle. Darin vertreten sind insbesondere Hersteller, Forscher und Anwender der Reinraumtechnik, die innerhalb des Forums ihre Erfahrungen und Empfehlungen zu technischen Verbesserungsmöglichkeiten bündeln und weitergeben möchten. Josef Hackl, Geschäftsführer der international tätigen WILD-Gruppe im Bereich der Medizintechnik, betont die Dringlichkeit: „Wir haben bereits 20 entsprechende Filtersysteme in unseren Büros und in der Fertigung im Einsatz. Um die erwünschte Wirkung abzusichern, braucht es allerdings die Hilfe von ExpertInnen in der Implementierung und eine professionelle Auswertung der Räume. Ähnliche Anlagen könnten auch Shops und Theater sichern.“ Michael Ebner von der MANN+HUMMEL Jack Filter GmbH legt dazu eine Studie mit einem selbstentwickelten Umluftgerät in einem Klassenzimmer vor, wodurch die gemessene Effektivität durch die Positionierung des Geräts im Raum verdoppelt werden konnte. „Binnen 15 Minuten konnten wir 80 Prozent der Aerosole aus dem Raum entfernen, nach 40 Minuten 90 Prozent“. Eine wesentliche Verminderung des Risikos der Ansteckung durch Aerosole.“
Stefan Radl vom Institut für Prozess- und Partikeltechnik der Technischen Universität Graz betont auch die Unterschiede der Geräte. „Es gibt wesentliche Merkmale, die bei der Anschaffung beachtet werden müssen. Oftmals wurden für Tests sogenannte Luftreiniger zur Luftentkeimung durch UV-C oder Ozon herangezogen, die im Handel erhältlich sind.“ Im Gegensatz zu industriellen Luftfilter-Geräten würden die Viren – die im Falle von Covid gerade einmal 0,1 Mikrometer (der 10-millionste Teil eines Meters) messen – dabei jedoch nur inaktiv gesetzt, aber nicht entfernt, führt Radl fort.

Sinnvoller Mix aus Maßnahmen
Die ExpertInnen sind sich alle einig, dass ein sinnvoller Mix aus mehreren Maßnahmen die größte Wirkung hat, denn ein Luftfiltersystem an sich kann nie 100 Prozent Schutz bieten. So betont Emanuel Rothmayr von der Firma Comprei, die sich insbesondere der Kontrolle der Einhaltung der Hygienebestimmungen in Reinräumen widmet und Anwender darin schult, dass nur mit der Einhaltung der Empfehlungen das Risiko auf ein absolutes Minimum reduziert werden kann, die da wären: mindestens zwei Meter Abstand halten, Lüften (Querlüften ist effizienter als Stoßlüften), Luftfiltergeräte (auf Qualität achten, Hepa H13), FFP2-Maske tragen, Reinigung im privaten Umfeld und Desinfektion im öffentlichen Bereich. (BO)