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Zwei Themen beherrschten den Internationalen Facility Management Kongress des IFM: ESG und Workplace Management und hier vor allem hybride Arbeitswelten. © IFM TU Wien

Am 17. und 18. November fand an der TU Wien zum 15. Mal der Internationale Facility Management Kongress des IFM mit über 170 Teilnehmer:innen statt. Zentrale Themen waren ESG und Workplace Management.

Environmental Social Governance (ESG), sprich die EU-Taxonomie Verordnung, wurde letztes Jahr beschlossen, ist aber spätestens seit der EXPO Real in aller Munde und war auch DAS Thema beim World Work Place der IFMA in den USA. Aber in Europa hat sie einen ganz anderen Stellenwert, wie Ulrike Gehmacher, Head of Group ESG bei IMMOFINANZ Wien, erläuterte: denn es ist eine gesetzliche Notwendigkeit. Alle Unternehmen, die zumindest zwei der drei folgenden Kriterien (200 Mitarbeiter, 20 Mio. Euro Bilanzsumme, 40 Mio. Euro Umsatz) erfüllen, müssen in ihren Jahresberichten im non-financial Teil den Umsatz, die Investitionen und die Kosten für grüne Produkte und Services ausweisen. Das soll grüne und nachhaltige Investitionen verstärken. Die IMMOFINANZ hat dabei schon seit einigen Jahren das Thema Nachhaltigkeit auf dem Radar, ein sehr wichtiges, tiefes, aber auch sehr schnelllebiges Thema, so Ulrike Gehmacher. Die IMMOFINANZ, als einer der größten Developer in CEE, ist international ein Vorreiter und nutzt das Thema, um sich zu differenzieren. Dies tut sie vor allem aus zwei Gründen:
• Mieterbindung: Einerseits, um ihren Nutzer:innen nachhaltige Immobilien anzubieten, die nicht nur energieeffizient sind, sondern deren Mitarbeiter:innen auch „empowered“, indem sie deren Gesundheit fördern. So erreichen sie eine langfristige Mieterbindung.
• Investorenseite: Grüne Immobilien sind ein Muss bei der Finanzierung. Sei es, um Investoren ein attraktives Angebot zu machen, oder um einfach eine günstige Fremdfinanzierung zu erhalten.

Laut Ulrike Gehmacher seien schon jetzt Unterschiede in den Finanzierungskosten von bis zu 40 Basispunkten am Markt üblich. In Zukunft vermutet sie, werde es schwer werden, Projekte, die nicht nachhaltig sind, zu finanzieren und später verkaufen zu können. Laut ihrem Vortrag werde ESG ab 2026 noch mehr an Bedeutung gewinnen, wenn die Reports auch vom Wirtschaftsprüfer vollständig auf ihre Richtigkeit geprüft werden müssen und Greenwashing unter schwerwiegende Strafen fällt. Ein ähnliches Bild zeichnet Mike Holland in seinem Vortrag: „ESG – The international perspective of an investor: green investments, tenant management, portfolio management under new perspectives“. Er unterstrich die Aussagen von Ulrike Gehmacher und fokussierte ebenfalls auf die Investorenseite und die Mieterbindung. Blackstone und andere große Investoren haben schon 2019 einen Head of ESG ernannt, die/der dann alle Investments auf ihre Nachhaltigkeit bewertet hat. Dies geschah schon weit früher als die EU ihre Verordnung erlassen hatte. Auf allen Kontinenten, aber auch in Indien spielt ESG eine immer größere Rolle. Die Top Unternehmen berichten auch dort schon über ESG Aktivitäten. Für große Unternehmen sei das leichter als für KMU, dennoch würde sich damit herausstellen welche die besten Mieter:innen und Vermieter:innen sind. Viele seiner Mieter:innen sind ebenfalls ESG berichtspflichtig. Daher legt er einen großen Schwerpunkt als REIT-Manager, diese bei ihrer Berichterstattung zu unterstützen. Damit erleichtert er nicht nur deren Arbeit, sondern erkennt auch, welche KPIs für sie relevant sind. Durch diese Unterstützung generiert er ein Alleinstellungsmerkmal für seine Mieter:innen und kann sie damit auch langfristig binden.

„What you cannot measure – you cannot manage”
In beiden Vorträgen wurde auf die Bedeutung einer einfachen und GoB-tauglichen Erfassung der Basisdaten für die Berechnung der KPIs hingewiesen. In der Praxis bedeutet die Erfassung einen erheblichen Aufwand. Vor allem rechtzeitig steuern zu können und nicht erst am Jahresende zu erkennen, dass ein Gebäude nicht mehr „nachhaltig“ ist, stellt einige Unternehmen vor erhebliche Aufwände. Der Vortrag von Alexander Götz, CFO und Hans-Peter Stubenrauch, Facility Manager des Theater in der Josefstadt, stellt daher eine einfache, kostengünstige Methode für diesen Bereich vor. Laut Alexander Götz will „das Theater in der Josefstadt nicht nur höchstmöglich qualitative Kunst bieten, sondern hat auch das Ziel ökologisch, sozial und wirtschaftlich nachhaltig zu sein.“ Das Theater in der Josefstadt wolle nicht nur aus diesen Gründen, sondern auch wegen der Vorgaben der Regierung, seinen Energieverbrauch optimieren. Frei nach dem Motto „What you cannot measure – you cannot manage”, wurde im letzten halben Jahr ein Energie-Monitoring umgesetzt. Dabei war zu beachten, dass das Monitoring System während des Betriebs und ohne Betriebsunterbrechung implementiert werden kann, denn einen Stehtag wolle und könne sich das Theater nicht leisten.

In der IoT-basierten Software-as-a-Service-Lösung „Sustainability Explorer“ fand das Theater die geeignete Lösung. Die IoT-Messgeräte zur Messung von Energieverbräuchen im Bereich elektrische Energie und Fernwärme, konnten ohne wesentliche bauliche Anpassungen im laufenden Betrieb vom Hauselektriker nachgerüstet werden. Die bestehenden Leitungen wurden mit Spulen umschlossen, ein Aufputzverteilerkasten bietet Platz für zusätzliche Geräte, die danach den Stromverbrauch messen. Per M-Bus wird der Fernwärmeverbrauch über dieselbe SPS, die auch die Strommessung bewerkstelligt, ausgelesen. Damit können alle Werte, falls erwünscht, im Minutentakt ausgelesen und im Dashboard des SaaS-Cloud-Tools analysiert werden. Damit wird nicht nur die Erstellung der KPIs unterstützt, sondern auch der operative Betrieb kann überwacht und optimiert werden. Als einziges Manko nennt Hans-Peter Stubenrauch die langen Lieferzeiten der Geräte. Aus diesem Grund werden in der Ausbaustufe auch andere Hersteller eingebunden, die aber durch das offene Konzept der Lösung einfach eingebunden werden können. Hans-Peter Stubenrauch empfiehlt daher möglichst rasch mit der Implementierung zu beginnen, da man mit Lieferzeiten von bis zu einem halben Jahr rechnen müsse. Da das erste Jahr für die verpflichtenden ESG-Berichterstattung 2024 ist, bleibt nicht mehr viel Zeit. Durch die Cloud-Lösung ist das Projekt einfach skalierbar und es muss vor Ort, außer den IoT-Geräten, nichts implementiert werden, was infolgedessen den Aufwand für den Auftraggeber minimiert.

Wann ist grün wirklich grün?
Andrej Grieb, Obmann-Stv. der Fachgruppe Wohn- und Mietrecht der Vereinigung Österreichischer Richterinnen und Richter, stellte sich die Frage, wann grün wirklich grün ist und welche Haftungen damit verbunden sind! Viele Unternehmen sind vor allem damit beschäftigt, ihre Strategien im Bereich ESG, die damit verbundenen KPIs und die Daten für die Berechnung der KPIs zu definieren und die Erfassung zu optimieren. In diesem Zusammenhang gibt es viel Gesprächsbedarf zwischen Eigentümer:innen und Mieter:innen, damit werden beide mit der Frage konfrontiert: „Wer verspricht wem was? Und was steckt in Verpflichtungen innerhalb eines Vertrags?“, so Andrej Grieb. Mit der Aussage, dass eine nachhaltige Immobilie nachhaltig sei, sind aber auch Gewährleistungen verbunden. Darüber hinaus wird Greenwashing in diesem Zusammenhang immer strikter bestraft. Andrej Grieb zeigte auf, worauf zu achten ist, um Schadenersatzansprüche und das damit verbundene schlechte Image zu vermeiden. In seinem Vortrag verwies er auch auf das EWG, das schon ab 2023 gelten soll und z.B. neue Gas- und Öl-Heizungen untersagt. Es verpflichtet auch zu einem sehr zeitnahen Umstieg auf Heizungen, die erneuerbare Energie nutzen. Diese Umstellung wird für die Immobilienbranche viele Herausforderungen mit sich bringen.

Bedeutung von ESG
Die Podiumsdiskussion von Alexander Redlein mit Wolfgang Gleissner, dem COO der BIG Bundesimmobiliengesellschaft M.B.H. und Géza-Richard Horn, CFM-Geschäftsführer der RealFM und selbst Lehrender an der Universität Stuttgart, unterstrich die Bedeutung von ESG. Sie sind sich einig über die großen Herausforderungen im Jahr 2022: durch Covid-19 haben wir gelernt, dass wir die Zukunft nicht antizipieren können, durch den Krieg in der Ukraine mussten wir lernen, mit der neuen (Un-)Sicherheitssituation umzugehen, denn diese ist gekommen um zu bleiben. Und nicht zuletzt das Thema Klima: ein schleichendes, aber überaus wichtiges Thema, da es uns alle betrifft. Von diesen Themen und ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen ist insbesondere die Immobilienbranche betroffen, denn die Verfügbarkeit von Energie ist nicht mehr gesichert und damit gehören Notfallpläne hier zum Alltag. Die BIG setzt in diesem Zusammenhang in ihren Gebäuden schon seit längerem auf erneuerbare Energieproduktion und auf optimierte Nutzung ihrer Bestandsgebäude, beispielsweise durch Digitalisierung, denn diese machen 10 Mio. BGF des Portfolios der BIG aus. Wolfgang Gleissner fordertet in diesem Zusammenhang auch eine Diskussion „welche Bedarfe wir wirklich haben!“. Vielerorts sind die Anforderungen immer nur gestiegen und wir werden uns in Zukunft die Frage stellen müssen, wo wir sinnvoll reduzieren können. In Deutschland sieht Géza-Richard Horn überdies eine Diskussion über Flächenreduktionen. Ebenso weist er auf eine große Herausforderung hin, Arbeiter- und Arbeitnehmer:innen auf eine Ebene zu stellen, insbesondere wenn es um die Diskussion um neue Arbeitswelten geht. Gerade der Fachkräftemangel wird den Fokus auf die Bedürfnisse noch verstärken.

Die Zukunft des hybriden Büros
Diese Aussagen bestärkte auch Gregor Grindjan, COO bei SAP Österreich, in seinem Vortrag „Die Zukunft des hybriden Büros – Erfahrungen nach zwei Jahren Praxisbetrieb?“ SAP Österreich hat erst 2016 bis 2018 im Projekt „Viennovation“ ihren Standort in Wien in ein Activity-Based-Working-Büro umgebaut. Dabei wurde sehr auf die Bedürfnisse aller Mitarbeiter:innen, aber auch auf die Wirkung bei Kund:innen geachtet. Das Customer Experience Center macht Technologie für alle angreif- und erlebbar. Design-Thinking Räume unterstützen Innovation und Zusammenarbeit von Mitarbeiter:innen und Kund:innen. Um die Menschen zu fördern, wurde viel offener Raum für individuelle Produktivität, wie auch kommunikative Begegnung und Zusammenarbeit geschaffen. Eine Vielzahl von Gemeinschaftsräumen unterstützt den Erfahrungsaustausch und gegenseitiges Lernen. Rückzugsmöglichkeiten für informellen Austausch ermöglichen Telefon- und Besprechungsräumen. Die Verschmelzung von Technologie und natürlichen Materialien (Pflanzen/Holz/Wasser) sorgt für eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Moderne Well-Being-Areas dienen als Relax-Zone und Ausklang vom digitalen Arbeitsalltag. Eine Cafeteria für interne und externe Besucher:innen mit täglich wechselnder gesunder Küche, ermöglicht informellen Austausch und auch die Schulungsräume sind alle auf den neuesten technischen Stand mit Skype-Video-Room Systemen für lokale und virtuelle Teilnehmer:innen. Aufgrund der Pandemie musste aber schon 2021 das Projekt Flex Location verschoben werden, 2022 wurde die Optimierung Flex Workspace der Büroumgebung umgesetzt. Die Pandemie habe bei SAP einiges verändert, aber weniger als man vermuten würde. Abschließend legt uns Gregor Grindjan nahe: „Investieren Sie in Ihr Büro – es wird sich für Sie auszahlen!“ Der Vortrag zeigte nicht nur, dass moderne Arbeitswelten ein Muss sind um Mitarbeiter:innen zu rekrutieren und zu halten, sondern auch, dass sich die Bürowelten immer schneller verändern. Diese Aussage unterstrich auch Pat Turnbull, Leiterin der Workplace Evolutionaries der IFMA. Auch international steht derzeit im Mittelpunkt, Mitarbeiter:innen wieder ins Büro zu bringen: „Bürostandorte müssen es den Arbeitnehmer:innen wert sein, um überhaupt wieder ins Büro zu kommen“, so Pat Turnbull. Dies geschehe vor allem, indem dort der Experience Charakter in den Vordergrund gestellt wird.

Unverhofft kommt oft
In seinem Vortrag „Unverhofft kommt oft: Wie geht es weiter mit der Weltwirtschaft nach Covid-19 und was bedeutet das für die Immobilienwirtschaft sowie das Facility Management“ machte uns Valentin Hofstätter von der Raiffeisen Bank, Hoffnung auf eine baldige wirtschaftliche Erholung. In den USA scheint die Spitze der Inflation überwunden und auch in Europa haben schon einige Bereiche, wie die Gaspreise, wieder begonnen zu sinken, dennoch müssen wir bis 2024 mit einigen Herausforderungen rechnen. Am zweiten Tag präsentierten die Forscher:innen des IFM ihre aktuellen Themen. Diese reichen von makroökonomischen Analysen der Bedeutung der Facility Service Industry als Treiber der wirtschaftlichen Erholung nach allen bisherigen Krisen, über Workplace Management, dem Enabler von produktiven und motivierten Mitarbeiter:innen, bis hin zur digitalen Transformation und wie man sie am besten in seinem Unternehmen anwenden kann. Die Forscher:innen griffen nochmals die Themen vom Vortag auf und erläuterten, warum der Wandel ohne Weiterbildung nicht erfolgen kann. Darüber hinaus zeigten sie auf, wie man einfach und effektiv den digitalen Reifegrad seines Unternehmens im Bereich Immobilien und Facility Management einschätzen kann.

Insgesamt gab der Kongress einen innovativen und fundierten Einblick in die Herausforderungen der nächsten Zeit vor allem in Bereich ESG und Workplace Management und zeigte auf, dass man den Wandel aktiv steuern muss, um auch in Zukunft unter den TOP Unternehmen zu sein. (red.)

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