OECD-Experte rechnet mit Aufwertung des japanischen Yen © APA - Austria Presse Agentur

Wie gewonnen, so zerronnen: Deutschland muss seinen frisch erworbenen Titel als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nach Prognose des Industrieländerklubs OECD heuer wieder abtreten. Japan werde voraussichtlich vorbeiziehen, sagte der Deutschland-Experte der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Robert Grundke, am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.

Grund dafür sind Wechselkursbewegungen. "Die Normalisierung der Geldpolitik wird dieses Jahr zu höheren Zinsen und auch wieder zu einem etwas stärkeren Yen führen", argumentierte der Experte.

Im vergangenen Jahr hatte Japan seinen angestammten Platz als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA und China verloren, obwohl das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent geschrumpft ist, während die japanische Wirtschaft um 1,9 Prozent wuchs. Hauptgrund ist die starke Abwertung der Landeswährung Yen aufgrund der Niedrigzinspolitik. "Die starke Zinsdifferenz hat zu großen Kapitalabflüssen aus Japan und zu einer starken Abwertung der Währung von etwa 50 Prozent geführt, welche den Dollar-Wert des Bruttoinlandsprodukts stark gesenkt hat", erläuterte Grundke. Es belief sich auf etwa 4,21 Billionen Dollar (3,9 Bill. Euro), das von Deutschland auf rund 4,5 Billionen Dollar, so die Regierung in Tokio.

Allerdings sei der Wachstumstrend in Japan schwächer als in Deutschland. "Das wird in den nächsten Jahren dazu führen, dass Deutschland den Platz vor Japan einnehmen wird", sagte der OECD-Experte voraus. Japans Potenzialwachstum leide noch mehr als das von Deutschland unter der starken Alterung der Bevölkerung und einer abnehmenden Dynamik in der Wirtschaft. Letzteres hänge mit fehlenden Investitionen, zu langsamer Digitalisierung, Widerständen gegen den Strukturwandel und dem Festhalten an alten Industrien zusammen.

Den wiedergewonnenen dritten Platz dürfte Deutschland aber in ungefähr zehn Jahren wieder verlieren - und zwar an Indien, "welches aufgrund seiner demografischen Entwicklung mit einer wachsenden Erwerbsbevölkerung sowie einer hohen Investitionsquote und starkem Produktivitätswachstum viel höhere Potenzialwachstumsraten erreichen wird", sagte Grundke.

Allerdings seien Ländervergleiche auf Dollar-Basis nicht unbedingt ein gutes Maß für die Menge an Gütern und Dienstleistungen, welche im Inland tatsächlich produziert werden. Werde das Preisniveau im Inland berücksichtigt und das BIP in Kaufkraftparität berechnet - wobei etwa Unterschiede im Preisniveau zwischen den Ländern herausgerechnet werden -, "nimmt Indien schon heute den dritten Platz hinter China und den USA und vor Japan und Deutschland ein". Indonesien dürfte in diesem Vergleich schon in vier Jahren und Brasilien in 25 Jahren an Deutschland vorbeiziehen.

"Wenn man den Lebensstandard der Bevölkerung anstatt der gesamten Menge der produzierten Güter und Dienstleistungen vergleichen möchte, muss man zusätzlich die Bevölkerungsgröße des Landes berücksichtigen", betonte Grundke. China und Indien sind die bevölkerungsreichsten Länder. "Wenn man sich das BIP in Kaufkraftparität pro Kopf anschaut, sind China und Indien zurzeit auf einem hinteren Platz und zählen zu den ärmeren Ländern."