Ob Lehrlinge zufrieden sind, hängt stark von der Branche ab © APA - Austria Presse Agentur

Ob Jugendliche mit ihrer Lehrstelle zufrieden sind, hängt stark von der gewählten Branche ab. Zufrieden mit den betrieblichen Rahmenbedingungen sind vor allem Lehrlinge in der Industrie in den Bereichen Metallbearbeitung oder -technik, Hochbau, Kunststofftechnik, aber auch in Banken oder in der Verwaltung, zeigt eine Befragung von AK und ÖGB unter rund 4.700 Lehrlingen. Unzufriedenheit herrsche in den "Problemberufen" Tourismus, Gastgewerbe und Hotellerie.

In diesen Branchen seien Lehrlinge auch häufiger mit Mobbing konfrontiert und würden gleich nach dem Lehrabschluss weg wollen statt den gelernten Beruf weiter auszuüben, sagte Norbert Lachmayr vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung am Mittwoch bei einem Pressegespräch. AK und ÖGB sehen in der Qualität der Lehrausbildung auch den Grund für den Personalmangel in bestimmten Branchen.

"Die Betriebe müssen selbst erkennen, dass sie etwas tun müssen, wenn sie zu wenig Fachkräfte haben", sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Es sei keine Lösung, die Liste der Mangelberufe ständig anzuheben. AK-Präsidentin Renate Anderl zeigte sich bestürzt, dass ein Drittel der befragten Lehrlinge angab, zumindest einmal beleidigt, belästigt, bedroht oder bloßgestellt worden zu sein. Bei Frauen waren es sogar 40 Prozent.

Ungerechtfertigte Kritik, schreien oder schimpfen sowie die Zuteilung von unbeliebten Arbeitsaufgaben standen dabei laut der Umfrage ganz oben. Von denen, die angaben, zumindest einmal beleidigt, belästigt, bedroht oder bloßgestellt worden zu sein, berichteten 12 Prozent zudem von sexueller Belästigung und 10 Prozent von der Androhung von Gewalt.

Besonders betroffen von all diesen Dingen seien Lehrlinge im Tourismus, Gastgewerbe und der Hotellerie, in den Bereichen Gesundheit, Medizin und Pflege sowie in den Segmenten Lebensmittel, Genussmittel und Ernährung. Richard Tiefenbacher, Vorsitzender der Gewerkschaftsjugend (ÖGJ), sieht den aktuellen "Lehrlingsmonitor" alarmierend. Junge Leute würden nicht die Wertschätzung und Sicherheit bekommen, die ihnen zustehe.

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) reagierte am Mittwoch mit "Verwunderung". "Es ist befremdlich, wenn bei Zufriedenheitswerten von 70 Prozent und mehr einzelne Branchen als 'Problemberufe' tituliert werden. Das Bashing von Gastronomie und Tourismus und die Lehrlingsvertreibung seitens ÖGB und AK muss endlich ein Ende finden", sagte Mariana Kühnel, stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin, laut einer Aussendung. Die Ausbildungsqualität in der Lehre sei hoch, Ausbildungsinhalte seien zudem Ergebnis gemeinsamer sozialpartnerschaftlicher Beschlüsse.

ÖGB-Präsident Katzian kritisierte, dass eine regelmäßige Dokumentation der Ausbildung oder regelmäßige Besprechungen des Ausbildungsforschrittes bei vielen der befragten Lehrlingen fehlten. Zudem gab ein Drittel an, ausbildungsfremde Tätigkeiten leisten zu müssen. "Dass wir heute noch darüber diskutieren müssen, ob ein Lehrling das Auto vom Chef putzen soll oder für andere Jause holen soll. Das ist schon längst nicht mehr zeitgemäß", sagte Anderl. Jeder vierte Lehrling absolviert regelmäßig Überstunden, nicht alle freiwillig. 12 Prozent gaben an, Überstunden nicht bezahlt bzw. zeitlich abgegolten zu bekommen.

Tiefenbacher forderte 1.000 Euro Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr für jeden Lehrling, egal welcher Branche. Anderl erneuerte die Forderung nach einem Ausbildungsfonds. Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, sollen vom Fonds gefördert werden.